oder: Ein paar knappe Gedanken zu einem Konzept (?) zwischen Anspruch und Wirklichkeit…
Trotz wenig Zeit wollte ich gerne auch noch ein paar Gedanken zu der spannenden Blogparade #NewWork17 beitragen…
Udo Jürgens hat 1982 die Single „Ich war noch niemals in New York…“ aufgenommen. Darin geht es um einen Familienvater, der nach dem Abendessen schnell noch Zigaretten holen geht (wer macht das eigentlich heute noch?) und dabei darüber sinniert, wie leicht es doch wäre, einfach mal auszubrechen. Pass, Euroschecks (ja, damals noch keine Kreditkarte), eigentlich alles da – man müsste es nur tun. Die Sehnsucht ist stark und die Träume sind sehr wach! Aber dann steckt der Mann die Zigaretten ein und kehrt nach Hause in die Enge und die Miefigkeit („Treppenhaus mit Bohnerwachs und Spießigkeit“) zurück. Und zu Hause wartet schon die Frau und motzt ihn an: „Mann, wo bleibst Du bloß, ‚Dalli, Dalli‘ geht gleich los! War was?“ Und er: „Nein, was soll schon sein.“ Damit ist vielleicht die Chance des Lebens verpasst…
Die phonetische Nähe zwischen „New York“ und „New Work“ ist mir übrigens schon öfters begegnet und viele Menschen lesen bei „New Work“ auch einfach „New York“. Und wie in dem Lied von Udo Jürgens gibt es vielleicht nicht nur eine phonetische Nähe. Wie New Work steht (oder stand zumindest noch 1982) New York für den Traum vom Reisen, vom Aufbruch, vom Umsetzen von Träumen. Einfach mal weg aus der Enge des eigenen Lebens. Die Begrenzungen abwerfen und tun, was man wirklich will. Aber der Schritt ist zu groß und der Mut (oder die Sehnsucht) reicht dann doch nicht. Ich will nun nicht noch eine Bedeutungsklärung und Definitionsfindung machen – das haben die anderen Autoren der Blogparade #NewWork17 schon umfasend getan. Ich würde daher gerne New Work einfach als ein Leitbild verstehen, in dem wir „Arbeit“ nicht mehr als Mühsal und Last, sondern mit Erfüllung und Sinn verstehen. Und die vor allem den Mut braucht, es einfach zu tun!
Dieser Wunsch nach Erfüllung (oder auch nach Belieben Sinn oder Zweck) mag nun blauäugig oder naiv wirken, hat aber aus meiner Sicht eine ganz wichtige Funktion. Denn wenn wir alle Menschen (oder zumindest alle, die es wollen) nicht nur in der operativen Umsetzung (Delegation, Management by Objectives), sondern insbesondere bei der Suche nach dem Zweck und dem richtigen Weg wirklich beteiligen, dann entstehen keine unsinnigen Geschäftsmodelle. Also keine seelenlosen Profitmaschinen, die nur den Geldbeutel der Investoren füllen und keinen echten Nutzen für Menschen schaffen.
Dabei ist mir gerade beim NachhaltigkeitsCamp in der Karlshochschule letztes Wochenende wieder sehr deutlich geworden, wie eng diese Sicht von New Work mit der Idee der Nachhaltigkeit verknüpft ist. Der Kollege André Reichel von der Karlshochschule hat sogar in seinem einleitenden Vortrag davon gesprochen, dass Nachhaltigkeit eine Leitidee der Menschheit wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sei. Das hat mir sehr gut gefallen und ich würde daher gerne diesen Aspekt zur Idee von New Work hinzufügen. Ein Wirtschaften im Sinne von New Work ist also elementar mit der Nachhaltigkeit verbunden. Für André ist Nachhaltigkeit „…dann der letzte gültige Referenzrahmen, in dem politische, soziale, ökologische, wirtschaftliche und ethische Fragen verhandelt werden können.“ Das gefällt mir gut und vielleicht überladen wir damit den New Work Begriff, aber vielleicht geben wir ihm damit auch einen übergeordneten Sinn. Denn wenn Nachhaltigkeit ein Imperativ für New Work ist, dann können wir dem Vorwurf der Instrumentalisierung begegnen und der Besetzung des Begriffs durch umherziehende Berater entgegenwirken, die nur die wirtschaftliche Verwertung im Sinn haben und dadurch die inhaltliche Entwertung antreiben.
Ebenfalls auf dem Nachhaltigkeitscamp ist ganz intensiv darüber diskutiert worden, wo wir als Mensch eigentlich in dieser Arbeitswelt bleiben. Das brachte mich auf den Gedanken, ob wir eigentlich über New Work oder über „New Working“ sprechen. Geht es also eher darum, die Arbeitswelt aus Sicht der Organisationen zu verändern oder aus Sicht der „Mitarbeitenden“ (schon die Suche nach dem passenden Begriff ist unbefriedigend). Denn wenn die Arbeitswelt aus der Sicht der Organisation betrachtet wird, dann kommt man schlussendlich immer in die Verlockung der Instrumentalisierung und Konzepte wie New Work sind dann nur eine Methode, um die Industrielogik des Kapitals noch ein bisschen weiter betreiben zu können. Dabei wurde auf der Veranstaltung auch intensiv über bereits bestehende Alternativen der Gemeinwohlökonomie oder genossenschaftlicher Erwerbsformen nachgedacht. Und da gibt es mehr als nur unrealistische Utopien!
Ich traue es mich kaum, die spirituelle Ebene im Kontext von New Work zu verwenden, denn im Reigen der New Work Realisten habe ich sowieso den Ruf, als Idealist oder sogar Utopist zu gelten. Dabei sind Utopien notwendig! Und zwar nicht um festzustellen, was nicht geht, sondern um darüber zu sprechen, in welcher Welt wir leben wollen. Dabei ist es mir eigentlich egal, ob das nun „New Work“ heißt. Und das obwohl ich mich wahrscheinlich als einer der Ersten getraut habe, den New Work Begriff im organisationalen Kontext zu verwenden.
Lalouxs „Reinventing Organizations“ ist zuletzt gerade in der New Work Community deutlich kritisiert worden, denn die Verknüpfung seiner Ansätze mit Spiral Dynamics und damit der spirituellen Ebene wird als „pseudo-wissenschaftlich“ abgetan. Ich möchte jetzt gar nicht darüber sprechen, wie wenig wissenschaftlich es zum Teil in der Wissenschaft zugeht, daher lasse ich mir den Vorwurf ruhig gefallen. Aber ich höre in vielen Gesprächen mit ehemals eher nüchternen und rationalen Menschen viel öfter Begrifflichkeiten wir Achtsamkeit, Wahrnehmung, Einkehr und es ist schon längst hoffähig zu meditieren. Und das ist mehr als nur eine Mode – das ist der Ausdruck eines starken Bedürfnisses von Menschen nach Tiefe und echter Bedeutung. Wir wollen etwas bewirken in dieser Welt, das ist unser Sinn im Leben. Und auch das, was wir für unseren Lebensunterhalt tun, muss da hineinpassen.
Ich bin also weiterhin ein Verfechter der elementaren Ideen aus „Reinventing Organizations“: Selbstführung (Self-Management), Ganzheit (Wholeness) und evolutionärer Sinn (Evolutionary Purpose). Wenn wir es schaffen, Organisationen zu gestalten, die auf diesen drei Säulen ruhen, dann werden wir es gar nicht schaffen menschenunwürdige Unternehmen zu erhalten. Denn wenn Menschen wirklich selbstbestimmt und ganzheitlich darüber entscheiden können, was für sie Sinn macht und wenn sie es dann auch noch lassen können, wenn es keinen Sinn macht, dann würde es sicherlich so manches nicht mehr geben – dafür aber so manches andere. Klingt das utopisch? Und wenn, ich fände es einfach gut!
Ich würde also dafür plädieren, New Work in all seinen Ausprägungen einfach auszuprobieren. Ich habe sehr oft das Gefühl, dass im Moment sehr viele Menschen zusammenkommen und dabei eine Menge Überschneidungen in der Haltung zum Leben und zur Arbeit (gibt’s da eigentlich einen Unterschied) haben, ohne genau definieren zu können, was sie eigentlich verbindet. Ich würde daher dazu ermuntern, es dann auch einfach auszuprobieren und auf unseren inneren Kompass der Menschlichkeit achten. Der sagt uns dann im Zweifelsfall schon, was richtig ist. Also bitte verrückt sein und es tun, wie auch Udo Jürgens in seinem Song empfiehlt:
„Ich war noch niemals in New York,
ich war noch niemals richtig frei
einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh’n.“