In einem Beitrag von Kerstin Schinck und Winfried Felser werden fünf Indikatoren als Lackmus-Test für eine „WE-Kultur vorgeschlagen. Ich halte das für eine interessante Idee und da sind viele gute Ansätze dabei.
Ich möchte dazu drei allgemeine Anmerkungen machen und ein paar Kommentare zu den fünf Indikatoren beitragen.
„Culture eats Strategy for Breakfast“
Ob das alles so einfach ist? Wie die beiden Autoren schon selber in dem Beitrag anklingen lassen, geht es weniger um die sichtbaren Maßnahmen als eher um die Umgestaltung der Kultur. In manchen Fällen führt das Einführen von „Tools“ nicht zur Lösung, sondern zur Verstärkung des Problems. „Culture eats Strategy for Breakfast (Peter Drucker)“ oder auch „A Fool with a Tool is still a Fool“ (bzw. „A Fool with a Tool is wors than without“). Daher würde ich noch einen Lackmustest für die Spürbarkeit des Kulturwandels vorschlagen: Fragen wir doch ein paar Handvoll „normale“ Mitarbeiter, ob sie eine Kulturveränderung wahrnehmen. Also, gibt es wirklich eine neue WIR-KULTUR? Haben sie in letzter Zeit an einer der genannten Maßnahmen teilgenommen? Werden sie von Ihren Führungskräften in der abteilungsübergreifenden (und selbstgesteuerten!) Kommunikation unterstützt? Auf die Antworten bei Daimler, Bosch etc. wäre ich gespannt…
Die Balance von ME und WE sollte noch ausdifferenziert werden! Generell weniger ME halte ich nicht unbedingt für die Lösung. Gerade die fehlenden Möglichkeiten der Mitwirkung (Selbstwirksamkeit) ist in vielen Fällen das eigentliche Problem und führt in der Folge eher zu narzisstisch verseuchten Organisationen (s. auch meinen Beitrag „Das narzisstische Dilemma im Unternehmen“). Denn die Narzissten (im Sinne des „exhibitionistischen Narzissmus“) und Psychopathen haben nur eine Chance, wenn sie auf Menschen mit geringer Selbstüberzeugung („defizitärer Narzissmus“) treffen. Daher brauchen wir auch Menschen, die ein starkes Selbst (kein Ego!!!) haben, um sich zu „wehren“. Ein Konzept von sich selbst, das aus einem Gefühl der Stärke entsteht und eben nicht auf das WIR angewiesen ist. Selbstbestimmung und Verantwortung entstehen nur aus einem Gefühl der Freiheit und ist eine Wahl und kein Zwang. Denn wer andere braucht, genügt sich selbst nicht.
Laloux hat diesen Zusammenhang, wie ich finde, schön aufgezeigt mit seinem Element der Wholeness. Gerade für Self-Management muss ich das Gefühl haben, „echt“ sein zu können und nicht dauernd eine Rolle spielen zu müssen.
Ich denke, nur dann kann ein echtes WIR-Gefühl auf Augenhöhe entstehen.
New Work etc. ist für mich kein Selbstzweck, sondern eine Frage des Menschenbilds. Wer bestimmte Glaubenssätze und Überzeugungen hat („Modell von Welt“), der kann eigentlich gar nicht anders, als bestimmte Prinzipien der Zusammenarbeit umzusetzen. Daher stellt sich für mich die Frage, WARUM die jeweiligen Unternehmen das alles machen. Ist es ein rein ökonomisches Kalkül („Es lohnt sich!“) oder eben auch eine Frage der Prinzipien? Ich bin der festen Überzeugung, dass New Work Ansätze auch ökonomisch sinnvoll sind – zumindest in einer sinnvollen, ganzheitlichen und nachhaltigen ökonomischen Metrik. Aber das kann nicht der einzige Grund und Zweck sein. Daher wäre vielleicht noch als Indikator die Begründung für den Wandel zu untersuchen, wie er von der Unternehmensleitung kommuniziert wird.
Der Chef soll nicht nur „einverstanden“ sein, sondern muss das auch fördern! Und dann würde ich nicht nur das Sprechen, sondern auch das selbstbestimmte Entscheiden fördern. Als Indikator also eher „Wie viel wird selbstbestimmt und ‚ohne Hierarchie‘ entschieden?“.
Eine kleine Ergänzung hier: Es gibt keine „Maßnahmen ohne Impact“ („Man kann nicht nicht kommunizieren.“ ;-)), keine Maßnahme ist auch eine Maßnahme (sic!) und sendet die Botschaft „Weiter so, so schlecht geht es uns doch gar nicht!“.
Ja, das ist gut, setzt aber ein neues Verständnis von Markt, Wettbewerb, Wertschöpfung, und vielen anderen Grundüberzeugungen der Ökonomen voraus. Wer in Unternehemskästchen denkt, bleibt darin stecken. Früher hieß das schon „Open Innovation“ und ist gnadenlos gescheitert, wenn es nicht in eine entsprechende Unternehmenskultur (=Innovationskultur) eingebettet war. Also auch hier geht es um die Haltung, die wir verändern sollten.
Bitte nicht zu viel „ECO“/“WE“ etc. Ich denke, Menschen brauchen eine eigene Identität, die sich dann aber in ein Miteinander einfügt. Zweck des Unternehmens und eigener Lebenszweck müssen sich ergänzen, sollten aber nicht deckungsgleich sein, sonst geht die eigene Identität verloren. Mitarbeiter sollen sich nicht „aufopfern“ und „mit Haut und Haaren“ für das Unternehmen einsetzen, sondern in einer selbstbestimmten Haltung freiwillig das Engagement bringen, zu dem sie bereit sind. Und das alles nicht aus einem Gruppenzwang heraus…
Und „Das Controlling umstellen“ ist eine sehr gute Idee, aber nicht nur im Hinblick auf individuelle vs. kollektive KPIs. Viel wichtiger ist die grundsätzliche Frage, welche Bedeutung die Wertschöpfung in der Rechnungslegung hat. Viele unserer BWL-Denkmuster sind völlig kontraproduktiv in Bezug auf die Wertschöpfung. Wir messen z.B. exakt (aber falsch) so etwas wie Weiterbildungskosten, aber haben keine Ahnung, welche Kosten „Nicht-Weiterbildung“ verursacht. Genauso „Personalkosten“ (ist das was Böses?) etc. etc. Das neue Denken muss auch zu einem neuen Messen führen, sonst funktioniert es nicht!
Ja, es geht darum, dass sich JEDER ändern muss bei einer Umgestaltung der Unternehmenskultur. Das ist dann wahrscheinlich auch der schwierigste Schritt. Mit den „Querdenkern“ ist es aber so eine Sache. Sicherlich brauchen wir davon mehr, aber Querdenker sind manchmal eben auch nur Quertreiber oder „Wirrköpfe“. Manche sind ja sogar stolz darauf, überall anzuecken und legen es regelrecht darauf an. Ich denke, jeder weiß, was ich meine. Es geht hier für mich nicht darum, einfach nur Querdenker zu sein, sondern das in einer Liebe zum Menschen zu sein. Wirklich große Leader sind auch angeeckt, aber haben ihren Widerstand und ihren Kampf in einer friedlichen und liebevollen Weise ausgedrückt.
Viele gute Ansätze also in dem Beitrag, die es sicherlich weiter zu diskutieren gilt. Danke schon einmal an Kerstin Schinck und Winfried Felser für Euren tollen Beitrag.