Die drei Prinzipien der Regenerativen Führung

Die drei Prinzipien der Regenerativen Führung

Führung · Personalmanagement

Bernd Geropp, Geschäftsführercoach, Führungstrainer, Speaker und Buchautor, hat kürzlich zu einer Blogparade aufgerufen. Dabei soll es um die Frage gehen, welches die drei wichtigsten Führungsprinzipien sind. Eine schwere Frage, da es sicherlich dem komplexen Thema Führung nicht gerecht werden würde, es auf drei Schlüsselbegriffe zu reduzieren. Dennoch ist es sicherlich eine spannende Frage und hilft einem selbst, das Thema fokussiert auf den Punkt zu bringen.

Seit Kurzem treibt mich das Thema „Regenerative Führung“ um (dazu gleich mehr). Ich habe dem Ganzen den Untertitel „Die Energiewende im Management“ gegeben, weil ich den Eindruck habe, dass wir im Bereich der Führung genauso wie in der Energieversorgung vor einem epochalen Wandel stehen oder vielleicht sogar schon mittendrin sind. Die Zahlen zur psychischen Belastung der Mitarbeiter und natürlich auch der Führungskräfte sind alarmierend: Eine Schätzung des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) aus dem Jahr 2008 kommt auf Kosten von 296 Mrd. Euro, die den deutschen Unternehmen durch Produktionseinschränkungen in der Folge von psychisch verursachten Leistungsminderungen entsteht, das entspricht fast 12% des preisbereinigten BIPs aus dem gleichen Jahr.

Dabei könnte es so einfach sein: Einer Studie der Hochschule St. Gallen im Rahmen der TOP JOB Arbeitgeber-Benchmarks aus dem Jahr 2012 zufolge wird durch ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten und die entsprechende Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen die Gesundheit um 15 bis 23% und in der Folge die Leistung im Unternehmen um bis zu 12% gesteigert. Dies vor allem durch Gestaltungsfaktoren wie z.B. die Möglichkeit zur Regeneration nach anstrengenden Veränderungsphasen – was mich wieder zum Thema „Regenerative Führung“ bringt.

Regenerative Führung – das Konzept

Am einfachsten lässt sich die Idee „Regenerative Führung“ mit der Analogie zu einem Akku erklären (auch wenn die wenigsten von uns mit einem Ladebalken auf der Stirn herumlaufen): Solange mein Akku immer genau so viel Ladestrom bekommt und ausreichend wieder aufgeladen wird, wie er entladen wird, ist alles in Ordnung. Kritisch wird es, wenn der Akku auf Dauer immer stärker entladen als wieder aufgeladen wird. Das führt mich zum ersten Merksatz der Regenerativen Führung:


Erster Merksatz (Regenerativität)

Es darf nur soviel Energie verbraucht werden, wie auf absehbare Zeit wieder aufgeladen werden kann.


Das ist aber nur die eine Seite. Mindestens genau so wichtig wie die Frage, wie viel Energie verbraucht wird, ist die Frage, wie und wofür sie verbraucht wird. Das wird durch den zweiten und dritten Merksatz ausgedrückt:


Zweiter Merksatz (Effizienz):

Die verbrauchte Energie muss möglichst effizient (sparsam) eingesetzt werden.


Dritter Merksatz (Effektivität):

Die verbrauchte Energie muss möglichst effektiv (wirksam) eingesetzt werden.


Der Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität ist sehr wichtig, aber beide Aspekte sind von Bedeutung. Man kann sehr effizient arbeiten und dennoch „das Falsche“ tun. Effizient ist es, ein gefordertes Ergebnis mit möglichst geringem Energieeinsatz zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um die reine Arbeitsenergie (=physische Energie), sondern oft sehr viel mehr um die psychische Energie. Wer z.B. ständig an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit ist und das Gefühl der Kontrolle über sein Tun verliert, der verbraucht sehr viel mehr Energie als jemand, der mit Reserven arbeiten kann.

Effizient ist aber noch lange nicht effektiv! Man kann sehr effizient das Falsche oder eben Sinnloses tun. Hier kommt dann das Konzept der Effektivität ins Spiel. Die zur Verfügung stehende Energie sollte auf geeignete Tätigkeiten verwendet werden, die für den einzelnen Menschen Freude bringen und Sinn machen und außerdem für die Erreichung der Unternehmensziele und der Umsetzung der Strategien einen wesentlichen Beitrag leisten. Übrigens entsteht hier noch eine spannende Rückkopplung: Wer Sinn in seiner Aufgabe für das große Ganze sieht, kann auch sehr viel mehr Energiereserven aktivieren!

Aus der Analogie zum (Lithium-Ionen) Akku gibt es aber noch etwas mehr zu lernen. Es ist beispielsweise nicht besonders klug, den Akku immer vollständig zu entladen. Sehr viel besser für die Lebensdauer eines Akkus ist es, wenn er immer mal wieder kurz aufgeladen wird. Und der ideale Ladezustand eines Akkus liegt Experten zufolge wohl zwischen 30 und 70%. Man könnte also sagen: Der energetisierte (tendenziell übermotivierte) Mitarbeiter ist genauso wenig hilfreich wie der fast schon energielose – mal wieder ein Beweis für die „Goldene Mitte“.

Für das Konzept „Regenerative Führung“ sind für mich nun im Wesentlichen vier Ebenen wichtig (angelehnt an Otto Scharmer in Theorie U):

  • Die Mikro-Ebene („Ich“),
  • die Meso-Ebene („Du“),
  • die Makro-Ebene („Wir“) und
  • die Mundo-Ebene („Alle“).

Damit wir jetzt auf die gewünschten drei Punkte kommen, werde ich etwas fokussieren und so ergeben sich die folgenden drei Führungsprinzipien:


1. Gute Führung beginnt bei der wirksamen Selbst-Führung

Ein wichtiges Prinzip in der Führung ist etwas, das ich als „Spiegel-Konzept“ bezeichnen würde: Alle Führungsprinzipien im Außen beginnen mit dem gleich Konzept im Innen (also auf der ersten Ebene des „Ich“) – man muss nur vor jedes dieser Wörter ein „Selbst-“ setzen. Wer Vertrauen schenken will, muss Selbstvertrauen haben. Wer achtsam gegenüber Anderen sein will, muss sich selbst gegenüber achtsam sein. Wer Wertschätzung zeigen will, muss Selbst-Wertschätzung haben. Oder wie es in Whitney Houstons schönem Lied „The Greatest Love Of All“ heißt:

„The greatest love of all

Is easy to achieve

Learning to love yourself,

It is the greatest love of all.“

Das bedeutet für mich: Führungskräfte müssen als allererstes mit sich selbst gut klar kommen. Leider reicht das nicht aus, denn gerade leicht psychopathische Führungskräfte kommen wunderbar mit sich selbst klar – nur sonst kaum jemand.

Bei der Führungsakademie der Bundeswehr lehrt man das Konzept übrigens unter dem Begriff „Innere Führung“ – das fasst das Ganze sehr schön zusammen.


2. Individuelle Führung sorgt für emergente Teamleistung

Auf der zweiten Ebene („Wir“) spielt sich Führung im Miteinander und Gegeneinander von Menschen ab. Eine wichtige Grundlage der zweiten Ebene sind die Annahmen und Glaubenssätze der (kollektiven) Ich-Ebene oder das vorherrschende Menschenbild. Hier spielt dann sicherlich der schöne Merksatz eine Rolle: „Wer führen will, muss Menschen mögen!“.

Dabei sind sowohl typische Zweier-Situation wie auch Teamsituationen entscheidend. Wie schon auf der ersten Ebene beginnt das mit der Frage nach den Individuen: Wie sind die „gestrickt“, welche Verhaltenspräferenzen haben die. Und wie baut man dann aus vielen Individuen ein gutes Team. Meredith Belbin hat schon vor 40 Jahren festgestellt, dass Teams dann effektiv arbeiten, wenn sie aus einer Vielzahl heterogener Persönlichkeits- und Rollentypen bestehen. Also nicht das homogenste Team ist am besten aufgestellt (das kann gerade für die Innovationskraft sogar hinderlich sein), sondern die gesunde Mischung macht es.

Gelingen kann das jedoch nur, wenn die Führung des Teams sich dieses Umstands bewusst ist, die Heterogenität kanalisiert und zum gemeinsamen Vorteil aller einsetzt. Dabei muss jeder Einzelne in seiner Individualität angesprochen werden, damit am Ende das Team nicht nur mehr ist als die Summe der Teile, sondern ganz neue Aspekte hervorbringt – man spricht hier von Emergenz. Emergenz erfordert letztendlich aber den Abschied vom Planungsparadigma und für Führungskräfte den Wechsel von Steuerung und Kontrolle zu Gestaltung und Ermöglichung.

Eine weitere wichtige Einflussgröße ist jenseits der Teamgrenzen dann die Organisation und deren Strategie, Struktur und Kultur. Und zudem eben das Energielevel auf organisationaler Ebene. Im hilfreichen Modell der Organisationalen Energie (Prof. Dr. Heike Bruch, Universität St. Gallen) wird Energie in den Dimensionen Intensität (hoch oder niedrig) und Qualität (positiv oder negativ) gemessen. Der „ideale“ Zustand ist natürlich hohe, positive Energie („Produktive Energie“), die ist nur leider im Dauerzustand der sichere Weg in die Beschleunigungsfalle und in die Überhitzung. Die bewusst gestaltete Abwechslung mit Phasen der „Angenehmen Energie“ (=Regeneration) sorgt für eine nachhaltig positive Energie im Unternehmen.


3. Der Sinn für Unternehmen und Gesellschaft ist wichtig

Auf der Ebene des Gesamtunternehmens und im Bezug zum Außen („People, Planet, Profit“ = 3P) stellt gerade die junge, sogenannte Generation Y viel höhere Ansprüche an die Erfüllung im Beruf. Und die Erweiterung der 3P im Bezug auf den Sinn der Tätigkeit („Purpose“) hat sicherlich auch eine viel höhere Bedeutung als es das für die Generation X im gleichen Alter hatte.

Der Wunsch nach Selbstbestimmung und Sinn in der Arbeit und in der Lebensgestaltung ist aber wahrscheinlich nicht nur ein Generationenthema, sondern ein allgemeiner Trend in der Gesellschaft. Und wenn wir dem nicht Rechnung tragen durch entsprechend menschenwürdige Gestaltung der Unternehmen, der Arbeitsplätze und der Arbeitsinhalte wird die Lust auf Führung, gerade auf der mittleren Managementebene, weiter abnehmen. Unternehmen – dabei aber vor allem die großen Konzerne – müssen endlich auch wieder Verantwortung für „People“,„Planet“ und „Purpose“ übernehmen und sich nicht nur um „Profit“ kümmern. In weiten Teilen des Mittelstands und der kleineren Unternehmen ist dies eine Selbstverständlichkeit!

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